Als ihr Traummann von einem Tag auf den anderen verschwindet, setzt Olivia alles daran, ihn zu finden. Eine mysteriöse Spur führt sie in das Asialokal „Zum alten Brunnen“, wo sie feststellt, dass absolut nichts so ist wie es scheint, und Glückskekse jede Menge heiße Informationen enthalten können. Sie stolpert mitten in eine geheime Verschwörung und ahnt nicht, dass die Mächte, mit denen sie sich anlegt, sehr viel dunkler sind als gedacht …
Magisch, abenteuerlich und verblüffend anders!
Genau in der Ecke zwischen Nummer eins und Nummer drei befindet sich unter einem Torbogen ein winziges Gässchen, so schmal, dass zwei Menschen sich dort wohl kaum aneinander vorbei quetschen könnten. Ich schüttle stumm den Kopf, immer noch an meinen Fingern nuckelnd. Wieder so ein Mysterium! Ich würde den heiligsten aller heiligen Eide schwören, dass dieser Durchgang vorher noch nicht da war. Eine kleine Einkerbung, mehr wie eine Verzierung oder so, aber doch kein Tor! Das wäre mir bestimmt aufgefallen, zumal ein flackerndes Licht von irgendwo weiter hinten im Gässchen sich in den Pfützen vor meinen Füßen spiegelt.
Vielleicht hat jemand das Licht gerade erst angemacht, mutmaße ich. Logik!
Bei diesem Gedanken nehme ich endlich meine Finger aus dem Mund und bewege mich zögerlich auf den schmalen Durchgang zu. Eine gruselige, spärlich beleuchtete Häuserschlucht tut sich hinter dem Steintor auf. Das Licht kommt offenbar von einer Neonlampe, denn es flackert abwechselnd rot und blau auf meiner Haut.
Ich zwinge mich dazu, die Gasse zu betreten. Immerhin ist eine positive Veränderung, dass der Regen sofort aufhört, mir mit achtzig Stundenkilometern an die Wange zu klatschen. Genau genommen ist es hier sogar komplett trocken, was wohl damit zu tun hat, dass der windschiefe Regen nicht in diese senkrechte schmale Schlucht fallen kann. Doch einige andere Merkwürdigkeiten sorgen dafür, dass mein mulmiges Gefühl nicht verschwindet, sondern sogar noch stärker wird. Die Hausmauern neben und über mir sind fensterlos, voller dunkler Löcher und komplett schwarz. Stellenweise stehen einzelne Ziegel vor wie das Arbeitsergebnis des miesesten Zahnarztes dieses Universums. Bruchgebisse aus altem, modrigem Stein. Auch der Boden hat mit der sorgfältig gepflasterten Wiener Innenstadt nichts zu tun, sondern wirkt vielmehr, so aufgerissen wie er ist, uneben und künstlich, als hätte ihn Roland Emmerich für einen Katastrophenfilm präparieren lassen.
Vielleicht eine weitere Baustelle? In letzter Zeit wird sowieso überall und dauernd gebaut, kaum eine Ecke in dieser Stadt, wo es keine Umleitung gibt. Manche Straßenzüge kann man nur noch als Hindernisparcours bezeichnen.
Ich muss husten, ein krächzendes, von den Mauern widerhallendes Geräusch. Zu wenig Luft, denke ich. Und tatsächlich ist die Atmosphäre in dem schmalen Durchgang irgendwie dünn, als ob der Sauerstoff hier zu knapp bemessen wäre.
Ich gehe zögernd weiter und sehe nun Striche hier und da an den Hauswänden. Sie wirken alt und verblasst, manche sind kaum noch zu erkennen. Mit modernem Graffiti, wie es draußen in der Kleeblattgasse an manchen Stellen die Fassaden ziert, haben sie nichts gemein, sie wirken eher wie in die Mauern gebrannte fremdartige Schriftzeichen. Etwas an ihnen macht mir Angst. Es ist, als wären sie - wie die gesamte Gasse - eigens für mich präpariert worden. Die Szenerie schreit mir das Wort „Falle“ förmlich mitten ins Gesicht. Ich sollte umkehren, die Polizei verständigen und Adrian als vermisst melden. Das wäre nur vernünftig.
Das hypnotisch flackernde Neonlicht verleiht meiner Haut einen ungesunden Farbton. Nachdenklich betrachte ich das Farbenspiel auf meiner Handfläche. Die blassen Linien, die wie eine alte Narbe aussehen, sind deutlich zu erkennen. Spuren des letzten Sommers. Sie erinnern mich daran, dass Vernunft nicht immer das erste Kriterium auf der Suche nach Wahrheit ist. Adrian hat vor einigen Monaten sein Leben für mich riskiert, das Mindeste, was ich jetzt tun kann, ist, der gut versteckten Botschaft aus seinem Büro nachzugehen. Wenn der Detektiv einen Grund hatte, Geheimnisse zu wahren, und ihm deshalb etwas zugestoßen ist, sollte ich der Fährte schleunigst folgen, ehe sie endgültig erkaltet.
Mit weit geöffnetem Mund haste ich eilig vorwärts. Ich habe ein Bild vor Augen, dass die Häuser einfach wieder zusammenwachsen und mich zwischen ihnen zerquetschen. Täusche ich mich, oder wird es tatsächlich enger? War die linke Wand eben auch schon so nahe? Inzwischen kann ich die Hände beim Gehen nur noch ein Stückchen mehr als schulterbreit ausstrecken. Ich achte darauf, diese seltsamen, schwarzen Mauern mit ihren unheimlichen Strichen nicht zu berühren, auch wenn ich das Gefühl nicht loswerde, dass sie sich an mich drücken wie zutrauliche Monster.
Die Beklemmung in meinem Brustkorb wird fast unerträglich, Angst presst mir Feuchtigkeit in die Augäpfel, während mein Mund staubtrocken ist und sich so anfühlt, als hätte ich irgendetwas Pelziges verschluckt. Weiter, weiter! Der Durchgang scheint kein Ende zu nehmen, dabei bin ich mir sicher, dass ich bereits weit über hundert Schritte gemacht habe. Es fällt mir immer schwerer weiterzugehen. Womöglich bilde ich es mir ein, aber die Gasse leistet mir scheinbar Widerstand. Ich denke an den Zettel in meinem Magen, denke an die Verwüstung in Adrians Büro und stemme mich dagegen. Lass mich durch, lass mich ...
Mit wildem, unregelmäßigem Pulsschlag und zu Fäusten geballten Händen stolpere ich aus dem Durchgang. Meine Knie sind so weich, dass ich erst einmal stehen bleiben und mehrmals tief ein- und ausatmen muss, ehe ich den Blick endlich auf das Gebäude richten kann, das sich in diesem gut versteckten Innenhof befindet.
„Zum alten Brunnen“, steht in blauen und roten Neonbuchstaben über dem Eingang eines dunkelgrauen, schnörkellosen Neubaus. Das kunstvoll zu einer Schleife geschwungene „B“ hat anscheinend einen Wackelkontakt, denn es flackert unruhig, während eines der mittleren „n“s komplett erloschen ist. Darunter befindet sich eine Tafel, auf der in altmodischen Buchstaben „Kleeblattgasse 1b“ steht.
Oh Gott. Da soll ich rein? Von all den Ungeheuerlichkeiten bisher ist das wohl die größte. Andererseits ist das die Adresse, die auf dem Zettel stand, und mir bleibt keine andere Wahl, als hier nach Antworten zu suchen oder umzukehren, und das kommt nicht infrage.
Mit ein paar Schritten habe ich den kleinen Hof durchquert. Ich blicke zurück über die Schulter und sehe nichts als ein etwas schmales, aber ohne Zweifel reales Gässchen, dessen Wände ganz normal und unbeweglich sind. Ich lege den Kopf in den Nacken. Offensichtlich hat es inzwischen aufgehört zu regnen, denn kein einziger Tropfen fällt in den Innenhof. Wenn es nur endlich schneien würde!
Ein paar Vögel zeichnen sich schemenhaft am Nachthimmel ab. Ich habe das ungute Gefühl, beobachtet zu werden, als flögen sie nicht zufällig genau über mir, sondern verfolgten mich. Geflügelte Spione. Ich fürchte, ich habe zu viel Hitchcock gesehen! Es sei denn ... Ich halte die Luft an. War da nicht gerade ein Geräusch? Es klang wie ein Klappmesser oder ein PEZ-Spender. Aber warum sollte jemand hier PEZ-Bonbons lutschen? Oder haben mich die roten Overalls verfolgt? Lauern sie mir bereits auf und versperren mir den Rückweg?
Ich entscheide, dass es an der Zeit ist, ins Warme zu kommen. Neben der schmutzigweißen Eingangstür mit gelben Milchglasfenstern hängt eine Tafel. „Zum alten Brunnen. Asia Restaurant“, steht darauf, gefolgt von einer langen Liste japanischer Schriftzeichen - offensichtlich die Speisekarte. Ich erinnere mich daran, wie ich einmal vor Jahren in Tokio in ein Lokal gestolpert bin. Ich hatte die Tür geöffnet und war von einem guten Dutzend misstrauischer japanischer Augen angestarrt worden. Europäer unerwünscht, dachte ich damals und warf ein saloppes „Kentucky Fried Chicken? Where?“ in die Runde, ehe mich der Kellner freundlich, aber bestimmt hinaus begleitete. Ähnliche Exklusivität befürchte ich nun auch, als ich meine Hand nach dem Türknauf ausstrecke.
Ist das so ein Moment, in dem die Heldin der Geschichte den entscheidenden Fehler begeht? Kurz bevor man ihre Konturen in Kreide auf den Boden malt und sie in einen dieser traurigen Leichensäcke packt?
Ich drehe den Knauf und öffne die Tür, die mit einem lauten Quietschen aufschwingt.
Im ersten Moment bin ich verblüfft, denn ich hätte einen schmuddeligen, holzgetäfelten Raum erwartet, dem man den dieser Lage entsprechenden fehlenden In-Status ansieht. Stattdessen befinde ich mich in einem komplett schwarzen, hypermodernen Ambiente. Schwarze Gitter teilen den Raum in mehrere kleinere Kojen, in denen sich edle dunkelrote Sitzpölsterchen um kleine schwarze Lacktische gruppieren. Unzählige sehr fein gearbeitete schwarz-rote Laternchen tauchen alles in ein dämmriges Licht. An den Wänden hängen wertvoll aussehende Kalligrafien. Kein Nippes, keine Drachen und keine kitschigen Plastiksushiminiaturen weit und breit. Sehr edel, denke ich staunend. Das einzige Accessoire, das unpassend wirkt, ist das lebensgroße Modell eines Kugelfisches, das sich genau über meinem Kopf befindet und das ich eingehend mustere, während ich die Tür zuziehe, die kalte Dezembernacht aussperre und dem Raum betrete.
„Tetrodotoxin!“, sagt jemand im hinteren Bereich des Restaurants, und ohne eine Sekunde darüber nachzudenken antworte ich: „Wie bitte?“
Ich folge dem leisen Lachen durch das ansonsten menschenleere Restaurant. Alles ist auf Hochglanz poliert, selbst der Boden zeigt keine Spuren von regennassen Schuhen. Bisher jedenfalls. Der Wetterfleckifant in der Porzellankneipe im Irrgarten Wiens, was für eine Abendunterhaltung!
„Tetrodotoxin ist ein Nervengift. Es befindet sich hauptsächlich in Haut und Innereien des Kugelfisches. Schon eine winzige Dosis davon ist tödlich“, fährt die Stimme fort, während ich mich zu orientieren versuche. Meine Gummisohlen quietschen bei jedem Schritt – kein Wunder, dass ich nicht unbemerkt geblieben bin. Ich sehe mich suchend um. Keine Spur von Adrian weit und breit, Tisch um Tisch finde ich absolut staub- sowie gästefrei. Erst am allerletzten Tisch, halbverdeckt von einer der Gittertrennwände, entdecke ich den Sprecher.
„Es ist grausam! Sie müssen wissen, das Gift wirkt nur auf die Körpernerven, nicht auf das Gehirn. Die Opfer werden gelähmt. Sie können sich nicht mehr bewegen, sie können nicht sprechen, bleiben aber bei Bewusstsein, bis sie an Atemstillstand oder Herzstillstand sterben. Das Ende glasklar im Gehirn begreifend. Ein entsetzlicher Tod, finden Sie nicht?“
Ich bleibe vor dem Tisch des einzigen Gastes stehen, ein kleiner, freundlich lächelnder Mann mit rötlichen, schulterlangen Haaren, einem fast weißen Bart sowie sonderbar hellen, leicht hervorquellenden Augen. Er hat einen riesigen, glänzenden Lackteller vor sich, auf dem sich mehrere hauchdünne Sashimi-Scheiben auf einer Garnitur aus Rettich und Salat befinden. Eine davon nimmt er vorsichtig mit gold gemusterten Stäbchen auf und hält sie gegen das Licht der Laterne über ihm, das durch das zarte Fischfilet leuchtet. Der Schatten, den das Sashimi genau auf seine Nasenwurzel wirft, lässt seine Augen noch mehr hervortreten.
„Muskelfleisch des Fugu“, sagt der Fremde leise, „ein besonderes Geschmackserlebnis. Zart und fest, sahnig und würzig, außerdem ein kleines bisschen“, er unterbricht sich und blickt mir in die Augen, wobei mir auffällt, dass sein rechtes ein wenig schief ist, „russisches Roulette!“
Die Sashimi-Scheibe verschwindet in seinem Mund, er kaut mit geschlossenen Lidern. Ich sehe ihm fasziniert zu.
Fugu. Natürlich habe ich von den Wundern dieser japanischen Spezialität gehört und ich weiß, dass immer noch durchschnittlich fünf Japaner pro Jahr an den Folgen einer Vergiftung durch unvorsichtigen Kugelfischverzehr sterben, aber soweit ich auch weiß, ist es streng verboten, diese Speise in Europa anzubieten. Womöglich ist die Speisekarte deshalb nur auf Japanisch geschrieben und das Restaurant befindet sich aus diesem Grund in einem so verborgenen Winkel. Dennoch frage ich mich, was es zu bedeuten hat, dass Adrians Hinweis mich ausgerechnet in ein geheimes Fugu-Feinschmeckerlokal führt.
„Möchten Sie eine Scheibe kosten?“
Der Fremde lächelt mich freundlich an und deutet auf seinen Teller. Seine Lippen sind blassrosa, fast so wie das Fugu-Filet.
Seltsamerweise spüre ich augenblicklich ein riesiges Verlangen danach, die mysteriöse Speise einmal zu probieren. Meine gesamten Mundschleimhäute bereiten sich auf das Geschmackserlebnis vor. Ich kann förmlich spüren, wie das zarte Fischfleisch auf meiner Zunge liegt, wie ich es nach oben an den Gaumen drücke, um das Aroma ganz auszukosten. Doch gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass, gleichsam als Vorboten, meine Finger taub werden und anschließend die Zehen. Atem und Herzschlag, beides empfinde ich grausam verstärkt, während die Lähmung sich Nerv für Nerv ausbreitet.
Ich kämpfe gegen mein Verlangen an und schüttle steif den Kopf. Der Fremde zuckt mit den Schultern und isst genüsslich eine weitere Scheibe. Ich verfolge ihren Weg vom Teller in seinen Mund und wische mir das Unbehagen mit einer Handbewegung aus dem Gesicht. Jedem seinen Nervenkitzel. Manche steigen eben lieber nachts in fremde Büros ein und legen sich mit Einbrechern an. Mahlzeit!
„Danke!“
Irritiert werfe ich dem Fremden einen Blick zu, den er lächelnd erwidert. Ich bin mir sicher, ich habe es nur gedacht und nicht laut ausgesprochen. Genau in diesem Moment bemerke ich den Geruch. Es riecht verbrannt. Alarmiert sehe ich mich um. Keine der Laternen scheint Feuer gefangen zu haben, dafür qualmt es aus dem Spalt unter einer fast unsichtbaren, weil ebenfalls schwarz lackierten Tür. Weit und breit ist kein Personal in Sicht. Was ist das für ein seltsames Lokal?
Da der Mann mir gegenüber keine Anstalten macht zu reagieren, sondern ungerührt weiter sein Fischessen zelebriert, laufe ich zur Tür und rüttle daran. Sie lässt sich nicht sofort öffnen, irgendetwas klemmt oder hat sich verhakt. Was, wenn jemand da drinnen ist und Hilfe braucht? Ich rüttle fester und schaffe es, die Tür einen Spalt zu öffnen, sodass ich durchschlüpfen kann. Augenblicklich tränen meine Augen, und ich muss mir einen Arm vor Mund und Nase halten, um möglichst wenig von dem beißenden Rauch einzuatmen. Ich schwitze vor Hitze und Angst und bin völlig orientierungslos.
„Hallo? Ist jemand da? Hallo??“
Keine Antwort. Ich wedle mit der Hand, um den Rauch zu vertreiben, was jedoch kaum gelingt. Jetzt nur keine Panik, versuche ich es mit Autosuggestion.
Was will ich überhaupt hier? Ich werde mich nur schmutzig machen oder an einer Rauchvergiftung im Fugu-Wunderland sterben. Was spiele ich mich als Lara Croft Klon auf, anstatt beide Beine schleunigst in die Hand zu nehmen und dieses seltsame Lokal zu verlassen? In solchen Situationen sollte man der brave Bürger sein, der besonnen die Feuerwehr verständigt, und nicht der Verrückte, den sie später auf der Bahre raustransportieren, erst recht dann nicht, wenn man erst vor Kurzem durch pures Glück dem rotbeoverallten Tod von der Klinge gestolpert ist. Man sollte seinen Schutzengel nicht überfordern, zumal ihn der Wintersturm vielleicht längst verweht hat. Man sollte ...
Ich fluche und dringe weiter in den Raum vor. Zum Glück hat der Luftzug durch den Türspalt den dichten Rauch etwas gelichtet. Ich erkenne, wo ich mich befinde. Es handelt sich um die Küche des Restaurants, und die Quelle der Rauchentwicklung ist ein Backofen. Jemand hat offensichtlich etwas darin vergessen. Ich ziehe meinen Pullover über Nase und Mund und kämpfe mich, möglichst flach atmend, zu dem Gerät durch. Die Hitze ist mörderisch. Der Backofen glüht, es ist unmöglich, ihn anzufassen. Ich sehe mich in der Küche um, auf der Suche nach der Spüle. Zum Glück befindet sie sich ganz in meiner Nähe. Ich eile hinüber, drehe das Wasser auf, tauche ein Geschirrtuch hinein, schalte mit dessen Hilfe den Ofen aus und öffne die Klappe. Zuerst verursacht das noch mehr Rauch, der sich dann aber nach und nach lichtet, Gott sei Dank, denn meine Schleimhäute sind bereits ganz schön gereizt und brennen.
Ich begutachte neugierig den traurigen Rest des Backwerks, das für die Beinahe-Katastrophe verantwortlich ist: asiatische Glückskekse, schwarz und verkohlt. Logisch, wenn das Papier in ihnen zu brennen beginnt, ist natürlich Feuer auf dem Dach, beziehungsweise im Ofen. Mit dem Geschirrtuch ziehe ich das Backblech heraus. Ein einziger Keks, interessanterweise genau in der Mitte, ist heil geblieben. Ich strecke die Hand aus und nehme ihn. Um ihn etwas abzukühlen, lasse ich ihn zwischen meinen Händen hin und her wandern. Dabei kann ich mich endlich in Ruhe umsehen.
Wieder wird mir auch hier die absurde Leere bewusst. Kein Personal, weit und breit! Wo sind die Köche, wo die Kellner und Küchengehilfen? Wer hat die Kekse in den Ofen gelegt? Und wem gehört dieses Lokal überhaupt? Die Tür war unversperrt, draußen sitzt ein Gast, folglich hat das Restaurant geöffnet. Aber wo sind sie dann alle? Und was für eine Frechheit! Einfach den Backofen einzuschalten und die arglose Kundschaft akuter Lebensgefahr auszusetzen! Als ich vor Wut die Hand zur Faust balle, zerdrücke ich damit den Glückskeks, der augenblicklich zerbröselt und seinen Inhalt, einen winzigen Zettel, frei gibt. Ich entfalte ihn und muss ihn mir fast an die Nase halten, um die klitzekleinen Buchstaben entziffern zu können.
„Folge der Spindel!“, steht da, und mit einem Schreckenslaut lasse ich Zettel sowie Keksbrösel fallen. Adrians zweiter Hinweis, hier, schwarz auf weiß als Spruch in einem mysteriöserweise unverbrannten Glückskeks! Das Abenteuer nimmt surreale Formen an. Doch das ist nicht das Einzige, das mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Denn ehe ich Zeit habe, zu reagieren oder auch nur den Ernst der Lage zu begreifen, wird die Küchentür von außen brutal aufgestoßen. Zwei Japaner in weißen Küchenschürzen und mit Pistolen in den Händen stürmen brüllend in den Raum, packen mich und zerren mich zurück ins Restaurant...