Wünschen ist nichts für Anfänger! Das muss auch Olivia erkennen, als ihr Wunsch, den eine Fee ihr so großzügig gewährt, ein kleines bisschen aus dem Ruder läuft. Warum musste ihr Märchenprinz sich aber auch erdreisten, eine andere heiraten zu wollen? Nun ist er ein Frosch, und als sie ihn so vor sich sieht, grasgrün, mit einem Heißhunger auf Fliegen, packt Olivia das schlechte Gewissen. Sie ist entschlossen, die Verwandlung rückgängig zu machen, selbst wenn sie sich dazu mit einem mächtigen Hexenzirkel anlegen muss …
Das darf doch nicht wahr sein. Geschlagene siebeneinhalb Minuten sitze ich jetzt hier im Dunkeln, auf dem einzigen WC im Pfarramt, und kaue an meinen Nägeln. Das ist wahrscheinlich kein günstiger Zeitpunkt, um eine Nagelschere zu brauchen. Der Klodeckel ist auch nicht sonderlich bequem. Wie schade, dass sich die Kirche keinen Plüschbezug leisten kann oder zumindest Frottee. Noch besser, diese geheizten japanischen Klositze, von denen man gar nicht mehr aufstehen möchte.
Ich rutsche unruhig hin und her. Wenn ich wenigstens vor der überstürzten Flucht aufs Klo daran gedacht hätte, dass der Lichtschalter außen ist, dann könnte ich das Nageldesaster immerhin sehen. So bleibt mir nichts anderes übrig, als grimmig auf den kleinen Lichtstreifen unter der Türe zu starren oder auf die Leuchtziffern meiner Swatch.
Wenigstens kann ich jederzeit, wenn ich mal muss, denke ich mit einem letzten Rest von Galgenhumor. Ich gebe mir noch fünf Minuten, danach spaziere ich einfach hinaus. Wenn ich mich ducke und schnell genug bin, dann ist es durchaus möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, dass ich mich ungesehen zu meinem Auto schleichen kann. Danach Vollgas und ab nach Hause in die Großstadt, wo mein äußerst spannendes, ereignisreiches Singleleben in Form eines Fernsehers mit Kabelanschluss, DVD-Player, Nintendo-Spielkonsole und einiger Flaschen guten, süffigen Rotweins auf mich wartet.
Durch die Türe sind immer noch Dutzende Stimmen zu hören. Draußen gibt es nämlich die große Familienumarmungsaktion vor dem eigentlichen Event, das um exakt elf Uhr mitteleuropäische Zeit steigen soll. Eine Hochzeit, was sonst. Ich knirsche mit den Zähnen.
Nun, ich könnte auch hier sitzen bleiben, bis sie alle in die Kirche gegangen sind. Deprimiert fange ich wieder an, an meinen Nägeln zu kauen. Das wäre doch gelacht, wenn es kein Leben außerhalb dieser Toilette gäbe. Allerdings war der Anlass zur Kloflucht ein aufkeimender Weinkrampf mit Verdacht auf demnächst einsetzenden Nervenzusammenbruch. Denn Fakt ist, ich bin bei dieser Hochzeit weder Braut noch Brautjungfer, hätte gegen Ersteres jedoch keinerlei Einwände. Und deshalb bin ich mir nicht sicher, ob die Explosionsgefahr beim neuerlichen Anblick des Brautpaares, angesichts des Kleides, des Ringes oder des Kusses (Panik!) gebannt bliebe. Insofern wäre es wohl sicherer, während der gesamten Zeremonie klotechnisch abwesend zu bleiben, Nerven zu sparen, ein wenig Zen zu üben, um danach für die etwa zwanzigsekündige Gratulation gerüstet zu sein. Wenn ich die heil überstehe, dann kann ich auf der Heimfahrt ins Lenkrad beißen oder mit einhundertachtzig Kilometern pro Stunde Lkws überholen. Aber auf keinen Fall darf ich irgendwo in seinem Gesichtsfeld zusammenklappen. Auf. Keinen. Fall.
Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit, und mein Blick fällt auf die Schachtel Streichhölzer, die fein säuberlich auf den Reserveklopapierrollen liegt. Und das auf dem Kirchenklo. Ich pfeife anerkennend durch die Zähne. Ein guter Freund hat mir nämlich vor Jahren die sehr interessante physikalische Reaktion eines angezündeten Streichholzes in einer stinkenden Toilette beigebracht. Es ist nämlich, glaube ich, so, dass der Rauch des Streichholzes den Gestank zum größten Teil auffrisst, weshalb man auf dem Klo immer Streichhölzer in Reichweite haben sollte, die einzige Rettung eines romantischen Wochenendes im Hotelzimmer.
Gelangweilt nehme ich ein Streichholz heraus. So eine kleine, tröstende Lichtquelle wäre jetzt etwas Wunderbares, denke ich mir, außerdem duftet es hier keineswegs nach Lavendel. Mangels sonstiger Ablenkung zünde ich es an.
Sssssssssswuuuuushhhh.
Genau in dem Moment schießt eine Stichflamme von der Streichholzspitze, und grelle Blitze zucken durchs Klo. Ich muss mir die Augen zuhalten, um nicht blind zu werden, und als ich sie vorsichtig wieder öffne, steht, oder fliegt vielmehr, eine sonderbar gekleidete Gestalt vor mir. »Sie«, die sich bei näherer Betrachtung als »Er« entpuppt, schwebt etwa zwanzig Zentimeter über den Fliesen, ist in rosaroten Tüll gehüllt, und hinter den Schultern schaut etwas hervor, das man fast für ein paar Flügel halten könnte. Seine pink gefärbten Haare sind dezent toupiert, außerdem mit viel Gel bearbeitet, oben am Scheitel sitzt eine winzige Krone. An seinen Schläfen befinden sich liebevoll getrimmte Koteletten, an denen er permanent mit dem Mittelfinger entlang streicht.
»Wer stört?«, fragt er ungehalten und sieht mich, die Nase gerümpft, an.
»Ich, ähm, also ...«, versuche ich es konsterniert, einen Heiterkeitsanfall mühsam unterdrückend, doch er schüttelt nur ungeduldig den Kopf, was die kleine Krone gefährlich ins Ungleichgewicht bringt.
»Es ist immer das Gleiche, wirklich. Mich erst bei meinem Schönheitsschlaf stören und dann dumm schauen. Hat dich in deiner Kindheit niemand gewarnt, dass man vom Zündeln Bettnässer wird? Spielst du grundsätzlich blöd mit Streichhölzern rum, wenn du auf dem Klo sitzt, oder nur ausnahmsweise? Meinst du, ich habe nichts anderes zu tun, als mich hier mit deiner Unentschlossenheit auseinanderzusetzen? Was glaubst du eigentlich, wer ich bin?«
»Na jaaaah, so genau kann ich das ...«
»Ja, ja, ja, schon gut.«
Ein dramatischer Seufzer. Er zupft an seinem Tüll-Tütü und blickt mich aus babyblauen Augen an.
»Also, ich bin eine Fee, und wenn du ... Was gibt’s da zu lachen?«
»Mmmmpppffff! Eine Fee? Solltest du auf diesem Posten nicht eine schöne, junge Frau sein?«
Ich kichere ungeniert.
»Auch Männer können Feen sein. Warum denn nicht! Häh? Häh? Immer diese femininen Vorurteile und dieses Getue von wegen Alles was schön ist, ist weiheiblich ...«, sagt er beleidigt und mustert geringschätzig meine nur notdürftig verpackte Oberweite.
»’tschuldige«, nuschle ich, »aber ich habe noch nie von einer männlichen Fee gehört.«
»Daran ist nur diese einseitige Kinderliteratur schuld. Märchen, öööööh, wenn ich das schon höre. Lass mich bloß in Ruhe mit diesem Andersen-Schund! Pfui Teufel! Oder Grimm, noch schlimmer! Igitt! Nun, ähm, lassen wir das. Du weißt eh, wie so was läuft. Also, du hast die Sache mit dem Streichholz erledigt, tatatataaaa, da bin ich. Folglich hast du jetzt einen Wunsch frei. Das Übliche eben«, sagt er und gähnt herzhaft.
»Die Sache mit dem Streichholz? Moment, das ist nicht das erste Streichholz meines Lebens, und vorher ist mir noch nie eine Tütü-Fee erschienen!«
Er streicht gekränkt über sein Feen-Outfit und verschränkt die Arme vor der Brust.
»Hast du etwa noch nie vom Wunschwellenprinzip gehört?«
Ich rutsche unruhig hin und her. Wenn ich wenigstens vor der überstürzten Flucht aufs Klo daran gedacht hätte, dass der Lichtschalter außen ist, dann könnte ich das Nageldesaster immerhin sehen. So bleibt mir nichts anderes übrig, als grimmig auf den kleinen Lichtstreifen unter der Türe zu starren oder auf die Leuchtziffern meiner Swatch.
Wenigstens kann ich jederzeit, wenn ich mal muss, denke ich mit einem letzten Rest von Galgenhumor. Ich gebe mir noch fünf Minuten, danach spaziere ich einfach hinaus. Wenn ich mich ducke und schnell genug bin, dann ist es durchaus möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, dass ich mich ungesehen zu meinem Auto schleichen kann. Danach Vollgas und ab nach Hause in die Großstadt, wo mein äußerst spannendes, ereignisreiches Singleleben in Form eines Fernsehers mit Kabelanschluss, DVD-Player, Nintendo-Spielkonsole und einiger Flaschen guten, süffigen Rotweins auf mich wartet.
Durch die Türe sind immer noch Dutzende Stimmen zu hören. Draußen gibt es nämlich die große Familienumarmungsaktion vor dem eigentlichen Event, das um exakt elf Uhr mitteleuropäische Zeit steigen soll. Eine Hochzeit, was sonst. Ich knirsche mit den Zähnen.
Nun, ich könnte auch hier sitzen bleiben, bis sie alle in die Kirche gegangen sind. Deprimiert fange ich wieder an, an meinen Nägeln zu kauen. Das wäre doch gelacht, wenn es kein Leben außerhalb dieser Toilette gäbe. Allerdings war der Anlass zur Kloflucht ein aufkeimender Weinkrampf mit Verdacht auf demnächst einsetzenden Nervenzusammenbruch. Denn Fakt ist, ich bin bei dieser Hochzeit weder Braut noch Brautjungfer, hätte gegen Ersteres jedoch keinerlei Einwände. Und deshalb bin ich mir nicht sicher, ob die Explosionsgefahr beim neuerlichen Anblick des Brautpaares, angesichts des Kleides, des Ringes oder des Kusses (Panik!) gebannt bliebe. Insofern wäre es wohl sicherer, während der gesamten Zeremonie klotechnisch abwesend zu bleiben, Nerven zu sparen, ein wenig Zen zu üben, um danach für die etwa zwanzigsekündige Gratulation gerüstet zu sein. Wenn ich die heil überstehe, dann kann ich auf der Heimfahrt ins Lenkrad beißen oder mit einhundertachtzig Kilometern pro Stunde Lkws überholen. Aber auf keinen Fall darf ich irgendwo in seinem Gesichtsfeld zusammenklappen. Auf. Keinen. Fall.
Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit, und mein Blick fällt auf die Schachtel Streichhölzer, die fein säuberlich auf den Reserveklopapierrollen liegt. Und das auf dem Kirchenklo. Ich pfeife anerkennend durch die Zähne. Ein guter Freund hat mir nämlich vor Jahren die sehr interessante physikalische Reaktion eines angezündeten Streichholzes in einer stinkenden Toilette beigebracht. Es ist nämlich, glaube ich, so, dass der Rauch des Streichholzes den Gestank zum größten Teil auffrisst, weshalb man auf dem Klo immer Streichhölzer in Reichweite haben sollte, die einzige Rettung eines romantischen Wochenendes im Hotelzimmer.
Gelangweilt nehme ich ein Streichholz heraus. So eine kleine, tröstende Lichtquelle wäre jetzt etwas Wunderbares, denke ich mir, außerdem duftet es hier keineswegs nach Lavendel. Mangels sonstiger Ablenkung zünde ich es an.
Sssssssssswuuuuushhhh.
Genau in dem Moment schießt eine Stichflamme von der Streichholzspitze, und grelle Blitze zucken durchs Klo. Ich muss mir die Augen zuhalten, um nicht blind zu werden, und als ich sie vorsichtig wieder öffne, steht, oder fliegt vielmehr, eine sonderbar gekleidete Gestalt vor mir. »Sie«, die sich bei näherer Betrachtung als »Er« entpuppt, schwebt etwa zwanzig Zentimeter über den Fliesen, ist in rosaroten Tüll gehüllt, und hinter den Schultern schaut etwas hervor, das man fast für ein paar Flügel halten könnte. Seine pink gefärbten Haare sind dezent toupiert, außerdem mit viel Gel bearbeitet, oben am Scheitel sitzt eine winzige Krone. An seinen Schläfen befinden sich liebevoll getrimmte Koteletten, an denen er permanent mit dem Mittelfinger entlang streicht.
»Wer stört?«, fragt er ungehalten und sieht mich, die Nase gerümpft, an.
»Ich, ähm, also ...«, versuche ich es konsterniert, einen Heiterkeitsanfall mühsam unterdrückend, doch er schüttelt nur ungeduldig den Kopf, was die kleine Krone gefährlich ins Ungleichgewicht bringt.
»Es ist immer das Gleiche, wirklich. Mich erst bei meinem Schönheitsschlaf stören und dann dumm schauen. Hat dich in deiner Kindheit niemand gewarnt, dass man vom Zündeln Bettnässer wird? Spielst du grundsätzlich blöd mit Streichhölzern rum, wenn du auf dem Klo sitzt, oder nur ausnahmsweise? Meinst du, ich habe nichts anderes zu tun, als mich hier mit deiner Unentschlossenheit auseinanderzusetzen? Was glaubst du eigentlich, wer ich bin?«
»Na jaaaah, so genau kann ich das ...«
»Ja, ja, ja, schon gut.«
Ein dramatischer Seufzer. Er zupft an seinem Tüll-Tütü und blickt mich aus babyblauen Augen an.
»Also, ich bin eine Fee, und wenn du ... Was gibt’s da zu lachen?«
»Mmmmpppffff! Eine Fee? Solltest du auf diesem Posten nicht eine schöne, junge Frau sein?«
Ich kichere ungeniert.
»Auch Männer können Feen sein. Warum denn nicht! Häh? Häh? Immer diese femininen Vorurteile und dieses Getue von wegen Alles was schön ist, ist weiheiblich ...«, sagt er beleidigt und mustert geringschätzig meine nur notdürftig verpackte Oberweite.
»’tschuldige«, nuschle ich, »aber ich habe noch nie von einer männlichen Fee gehört.«
»Daran ist nur diese einseitige Kinderliteratur schuld. Märchen, öööööh, wenn ich das schon höre. Lass mich bloß in Ruhe mit diesem Andersen-Schund! Pfui Teufel! Oder Grimm, noch schlimmer! Igitt! Nun, ähm, lassen wir das. Du weißt eh, wie so was läuft. Also, du hast die Sache mit dem Streichholz erledigt, tatatataaaa, da bin ich. Folglich hast du jetzt einen Wunsch frei. Das Übliche eben«, sagt er und gähnt herzhaft.
»Die Sache mit dem Streichholz? Moment, das ist nicht das erste Streichholz meines Lebens, und vorher ist mir noch nie eine Tütü-Fee erschienen!«
Er streicht gekränkt über sein Feen-Outfit und verschränkt die Arme vor der Brust.
»Hast du etwa noch nie vom Wunschwellenprinzip gehört?«